Wirtschaft

Mit aller Kraft gegen Leerstand

IHK-Geschäftsführerin Carola Havekost über Einzelhandel in Bösel

Eingeladen hatte die Expertin der Handels- und Gewerbeverein. Kaufkraft aus Bösel fließt nach Friesoythe ab.

von Reiner Kramer - Bösel Leerstände, auseinandergezogene Pole, hohes Verkehrsaufkommen auf derCarola Havekost - IHK Friesoyther Straße/Garreler Straße: Dass die Situation für den Einzelhandel in der Gemeinde Bösel einige Herausforderungen bereithält, davon konnte sich Carola Havekost, Geschäftsführerin der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer, jüngst selbst überzeugen. Havekost berichtete am Mittwochabend im Heimathuus in Bösel auf dem Unternehmerabend, zu dem der Handels- und Gewerbeverein Bösel eingeladen hatte, über ihre gewonnenen Erkenntnisse zum Einzelhandel in Bösel.

„Schade“, so HGV-Vorsitzender Frank Bornhorst, sei die geringe Resonanz auf die Veranstaltung: Keine 20 Besucher waren der Einladung gefolgt, darunter gerade einmal vier Einzelhändler. Dabei hatte Carola Havekost einige interessante Dinge zu berichten.

 


Die braunen Schilder und die Sitzmöbel überdenken – das regte Carolin Havekost (kleines Bild) an.
Bild: Reiner Kramer

 
Wer zieht Kunden an
                 und wer nicht


Die Einzelhandelszentralität weist die Attraktivität einer Stadt als Einzelhandelsstandort aus. Grundlage ist die Kaufkraft, die eine Kommune an sich binden kann. Attraktive Kommunen schaffen es, mehr Kaufkraft an sich zu binden als ihre Einwohner zur Verfügung haben. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) misst diese „Sogwirkung“ dadurch, dass die Nachfrage der Einwohner am Wohnort den Umsätzen im Einzelhandel gegenüberstellt wird. Die ermittelte Zentralität steht im direkten Zusammenhang mit den Kundenströmen zwischen den Kommunen und ihrem Umland. Mit dem Wert erhalten die Kommunen eine objektive Messgröße dafür, wem es gelingt, viel Kaufkraft zu ziehen und an sich zu binden. Werte über 100 weisen auf die Attraktivität des Einzelhandels einer Gemeinde hin.

Die Grafik zeigt: Aus Bösel zieht besonders viel Kaufkraft ab, nur Cappeln verliert noch mehr. Cloppenburg oder Friesoythe profitieren dagegen. Werte unter 100 sind aber nicht verwunderlich, schließlich geht es in Bösel als Grundzentrum vor allem um die Grundversorgung der Einwohner in der Gemeinde.

Das Wachstum bei den Verkaufsflächen auch im Bezirk der Oldenburgischen IHK halte an, schilderte sie, es komme zu einem regelrechten Verdrängungswettbewerb. Auch innerhalb der Kommunen komme es zu einem Wettbewerb der Standorte. Ein Nachsehen hätten häufig inhabergeführte Betriebe, die zunehmend durch Filialisten ersetzt würden, so Havekost.

Auch der Bereich E-Commerce, Online-Handel, habe Auswirkungen auf den Einzelhandel. „Das inhabergeführte Unternehmen in Bösel muss nicht mit Amazon und Ebay konkurrieren“, beruhigte Havekost. Sie ist aber der festen Ansicht: „Wer online heute gar nichts macht, der wird irgendwann Probleme bekommen.“ Der inhabergeführte Einzelhandel solle eher auf fachgerechte Beratung oder Service setzen als auf einen günstigen Preis. Der Online-Markt wachse zwar, die jüngere online-affine Generation wolle aber auch das Einkaufserlebnis. „Es muss Spaß machen, einkaufen zu gehen“, verriet Havekost das Erfolgsrezept.

Nach der Erhebung der IHK stünden dem Böseler im Jahr 4760 Euro für den Einzelhandel zur Verfügung, 2245 Euro werden in der Nahversorgung investiert. Bezogen auf die Einwohnerzahl ergibt sich daraus ein Kaufkraftvolumen von 35,6 Millionen Euro. Das Problem: Viel Kaufkraft fließt ins Umland ab, belegte schon die Haushaltsbefragung zum Einzelhandelskonzept für die Gemeinde Bösel 2008, das allerdings nie beschlossen worden war, und auch die Einzelhandelszentralität (s. Grafik). Schmerzlich vermisst wird etwa ein Drogeriemarkt.

Einige Verbesserungsvorschläge hatte Havekost im Gepäck: Über eine Außengastronomie könne man nachdenken. Fahrradständer sollten ebenso wie Mülleimer auf den neuesten Stand gebracht oder ausgebessert werden, mehr und moderne Sitzgelegenheiten regte sie an, in einigen Schaufenstern könne die Ware besser präsentieren werden. Viel Positives kann Havekost auch den braunen Hinweisschildern an den Kreuzungen nicht abgewinnen: zu wenig Orientierung etwa für den ortsfremden Autofahrer. Handlungsbedarf sieht Havekost auch bei den Öffnungszeiten der Geschäfte, die keineswegs einheitlich seien.

Als große Herausforderung machte sie den Leerstand aus: Gezielt müsse nach Einzelhandelsbetrieben gesucht werden. Bis zur Neuvermietung könnten Immobilien kurzfristig etwa für Kunstausstellungen genutzt oder Schulen oder Kindergärten zur Verfügung gestellt werden.

Die Einzelhandels-Expertin regte an, das 2009 im Auftrag der Gemeinde erstellte Einzelhandelskonzept auf den neuesten Stand zu bringen und vom Rat beschließen zu lassen. Das bedeute auch Rechtssicherheit und Verlässlichkeit für Unternehmer.

Quelle: Nordwest-Zeitung, Oldenburg; Redaktion Friesoythe

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.